Zunft & Handwerk
Suchte ein fremder Handwerker im Markt Rosenheim Arbeit, so wandte er sich zunächst an die entsprechende Zunft. Diese hatte ihren Standort (Herberge genannt) in einem der vielen Wirtshäuser von Rosenheim, gekennzeichnet durch ein Zunftschild. Dort erfuhr der Handwerker den aktuellen Stand der örtlichen Betriebe.
Die Zünfte waren 700 Jahre hindurch die Interessensvertretungen der Gewerbetreibenden. Die Mitgliedschaft war Voraussetzung zur Ausübung des Gewerbes („Zunftzwang“). So konnten die Zünfte Qualität und Preise der Waren, sowie Ausbildung, Arbeitszeiten und Löhne regulieren. Außerdem legten sie die Größe und Anzahl der Betriebe fest. Dies alles war in der Zunftordnung niedergelegt, die der Staat bestätigen musste. Auch die Betriebserlaubnis (Handwerksgerechtsame) erteilte letztendlich der Staat.
Im 12. Jahrhundert nahm das Zunftwesen Form an. In Rosenheim ist die älteste bekannte Zunftvorschrift die der Schuhmacher aus dem Jahr 1460. Waren an einem Ort nur wenige Meister eines Handwerks, bildeten sich „Mischzünfte“. In der Ausstellung ist z.B. die Zunft der Müller und Bäcker durch die Kupferkannen, die Zunftstangen und ein Zunftschild vertreten. Die Zeit der Zünfte ging in Bayern 1868 mit Einführung der Gewerbefreiheit zu Ende. Ihre Aufgaben übernahmen Handwerkskammer sowie Industrie- und Handelskammer.
Die Zünfte prägten auch das Leben in Städten und Märkten. Sie schufen in den Herbergen eine besondere Wirtshauskultur und waren im Kirchenjahr präsent. Jede Zunft hatte ihren Heiligen und viele stifteten ihm zu Ehren einen Altar und Messen. Bei Prozessionen führten sie ihre Zunftstangen voran. Seit dem 16. Jahrhundert gehörte die Wanderschaft der Gesellen zur Ausbildung. Die fremden Handwerksburschen waren im Ort alltäglich. Sie brachten Nachrichten und technische Neuerungen mit. Die Zunft bot außerdem Sicherheiten für das Alter, für die Hinterbliebenen und im Krankheitsfall.
Zunfttruhe
Die Zunftlade stand im Mittelpunkt des Zunftbrauchtums. Sie enthielt die Kasse und alle wichtigen Dokumente, wie Vorschriften, Urkunden, Mitgliederliste und Siegel der Zunft. Die Truhe war meist mit zwei Schlössern versehen und nur im Beisein der beiden Zunftmeister zu öffnen. Mit dem Öffnen der Lade begann der rechtliche Teil der Sitzung, bei dem Essen, Trinken und „unrechtes“ Gerede streng verboten waren.
Blaudruck
„Blaudruck“ ist eine der Möglichkeiten, Textilien farblich aufzuwerten. Die floralen oder abstrakten Muster entstehen durch Verwendung von Druckformen. Es wird jedoch nicht blau gedruckt, sondern blau gefärbt.
Vor dem Färben druckt der Färber mit dem Model eine Masse, den sogenannten Papp, auf den Stoff. Der Papp verhindert, dass der Stoff an dieser Stelle Farbe aufnimmt. Nach dem Färben wird der Papp mit Säure entfernt. Das Muster zeichnet sich hell auf dem blaugefärbten Stoff ab. Das Verfahren nennt man Reservedruck: Der Papp „reserviert“ den Platz für das Muster.
Die Model stellt der Formenstecher her. Sie sind aus Holz geschnitzt oder mit Messingstegen versehen. Die reinen Holzmodel eignen sich besser für grobes Leinen, die Messingmodel für feine Baumwolle. Auf dem Model sind Paßmarken, um das Muster folgerichtig fortzusetzen. Meist sind sie in das Muster integriert.
Die blaue Farbe ist Indigo, ein Naturfarbstoff, der sich nicht in Wasser löst. Er wird in einer alkalischen Lösung aufbereitet, der sogenannten Küpe, und dabei gelb. Erst nach dem Färben, durch Oxidation an der Luft, schlägt das Gelb um zu Blau.
Die Technik stammt aus dem Orient. Im 17. Jh. kam sie nach Europa. In Rosenheim gab es seitdem zeitgleich zwei bis drei Färber. Der eine oder andere arbeitete sicherlich mit der Technik des Blaudrucks.
Zinn und Kupfer im Haushalt
Zinngeschirr spiegelte den Wohlstand eines Hauses wieder. Es war besonders im 17. und 18. Jh. gebräuchlich. In den Rosenheimer Inventaren wird es neben Kupfer, Silber und Leinen als besonders wertvoll hervorgehoben. So mancher Gastwirt, Hafner oder Bürgermeister hatte Teller, Schüsseln, Kannen, Krüge und Leuchter aus Zinn aufzuweisen. Ein Bierbrauer besaß sogar drei zinnerne Nachttöpfe. Der Kuhhirte, Tagwerker oder die Dienstmagd dagegen hatte meist nicht mehr als einen „Weihbrunnkessel“ aus Zinn.
Auf den Tisch kam das Zinngeschirr nur zu besonderen Anlässen. Im Alltag benutzte man zum Essen Holz- und Irdenware. Ab Ende des 18. Jh. kamen Steingut und Porzellan in Gebrauch.
Der Zinngießer stellte neben diesem Haushaltsartikel auch Geschirr und Gerät für die Zünfte und die Kirche her. Die Zünfte benutzten individuell geschmückte Pokale und zelebrierten ihre Feste und Versammlungen mit zinngedecktem Tisch.
Mit einer Marke garantierte der Meister für das verwendete Material. Man unterscheidet Stadt-, Meister- und Qualitätsmarken. Sie geben Auskunft über Hersteller und Herkunft des Artikels. In Rosenheim ist bereits 1553 ein Zinngießer erwähnt. Nur ein einziger Meister war hier in der Zeit des Zunftzwangs zugelassen.
Außer Zinn waren auch Kupfer, Messing und Eisen im Haushalt gebräuchlich. Die ausgestellten Kupferformen wurden für Sülzen oder Kuchen verwendet. In die Fischform kam meist Fischsülze, in die Krebsform Krebssülze. Beides waren gängige Fastenspeisen in Bayern.
Aus Kupfer wurden alltägliche Gebrauchsgegenstände gefertigt wie Pfannen, Kannen und Wannen sowie Trichter, Siebe und Bettwärmer. Der Kupferschmied formte sie aus Blechtafeln, die u.a. das Kupferhammerwerk am Roßacker herstellte.
Glocken
Glocken sind heute hauptsächlich in der Kirche präsent. Sie rufen zum Gebet, erfüllen liturgische Zwecke und schlagen die Stunde. Die Sterbeglocke meldet den Tod eines Mitbürgers und gibt seiner Seele Geleit. Hier sind vorwiegend profan genutzte Glocken ausgestellt.
Die Arme-Sünder-Glocke hing bis 1878 im Rosenheimer Rathausturm. Sie läutete zum Gebet für einen Verbrecher, während er zum Richtplatz (Köpfen) auf der Wiese bei Loreto oder zum Hochgericht (Strangulieren) bei der Mangfallbrücke geführt wurde. Der Münchner Wolf Steger goß diese Glocke 1543.
Glockengießen war lange Zeit ein Wandergewerbe. Vor Ort eine provisorische Gießerei einzurichten war günstiger, als eine große Bronzeglocke zu transportieren. Erst 1665 ließ sich in Rosenheim der Glockengießer Christoph Herz (+1699) aus Nürnberg nieder. Nach ihm lag das Handwerk rund hundert Jahre brach, bis es 1791 Carl Ellmayr (1762-1810) wieder aufnahm. Für den Lebensunterhalt reichte Glockengießen nicht aus. Ellmayr fertigte auch Geschütze und betrieb eine Weinstube. Die Hausglocke mit seinem Namen und dem seiner Frau Anna goß er im Jahre 1801.
1829 erwarb Johann Bullacher (1788-1847) Ellmayrs Glockengießergerechtsame (Vorrecht zur Ausübung des Handwerks). Aus seiner Werkstatt stammt die Glocke mit der Aufschrift: „gegossen bei Sabina Bullaher in Rosenheim“. Sabina (1804-1861) war die Ehefrau des Glockengießers.
Die Handglocke benutzte der Ausrufer Johann Huber von 1850 bis 1860. Er machte damit auf Bekanntgaben des Rosenheimer Magistrats aufmerksam. Sie wiegt 4 kg!
Bei einem Besuch im Museum können Sie die Glocke läuten!